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6/27/2019

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SCAL GALA CRIME
Musik: Georg Edlinger
Text: Helga Steinacher
Fotocredit: ©Helga Steinacher
In einer Art Ouvertüre bauen sich zu Beginn des komplexen Werks von Georg Edlinger einzelne Töne eine Dramaturgie, die Unheilvolles ankündigt. Das musikalische Thema ist geboren und führt ab nun durch die einzelnen Abschnitte des Stücks SCAL GALA CRIME. Die permanente Wiederholung der Töne lässt den Zuhörer Zeit sich mit dem Stück vertraut zu machen, doch ist es eine zaghafte Annäherung, die mit aller Vorsicht in Angriff genommen wird. Trotz ungemeiner Sanftheit der angeschlagenen Töne, lässt einem das Gefühl nicht los, sich einer leicht angelehnten Tür zu nähern, die man eigentlich nicht öffnen will. Trotz innerer Ablehnung treibt einem das Thema, wie ein innerer Sog zum dunklen Spalt, mit dem ständigen Gefühl des Unheilvollen im Gebäck. „Hass und Liebe“ werden intoniert, das erste Kapitel ist somit aufgeschlagen und die Tür geöffnet worden. Die rau und tief ins Mikro artikulierten Begriffe „milde Strafe, harte Strafe“ sind wesentliche Orientierungspunkte hinsichtlich des Themas: Die Auseinandersetzung mit historischen Strafprozessen.
In einem nahezu als Duett zu bezeichnenden Rezitativ, das von Edlinger selbst und der Sängerin Tanja Pichler gesungen wird, erfüllt in hoher Konzentration den Klangraum. Das musikalische Thema der einzelnen Töne lässt einem noch Zeit sich auf das Nächstkommende vorzubereiten. Es beginnt zu knistern und sofort eröffnet sich dem Zuhörer de facto das dazugehörige Bild: Es brennt. Der dunkle Sound dazu erinnert an tiefschwarze Löcher und baut eine ungemeine Spannung auf. Spitz wie glühende Nadeln treiben die scharfen, kurzen vocals Tanja Pichlers durch den Sound und vermischen sich mit Edlingers rauem, zerbröselndem Sprechgesang „Feuer der Liebe, Feuer des Hasses“ und kulminieren explosiv in den Schrei „Feuer in Winklarn“. Edlingers durchdringende Komposition bezieht sich damit auf einen Gerichtsfall aus dem Jahr 1674, einer Drohung den Ort Winklarn bei Amstetten in Brand zu setzen.
Edlinger bedient sich in Folge verschiedener Alltagsgeräusche, wie dem harten Zuschlagen einer Tür, dem Zerbersten von Glas und einer männlichen Stimme, deren sarkastisches Lachen nichts Gutes ahnen lässt. Er baut diese Klangkörper meisterhaft diffizil in seine Sounds. Hier zeigt sich seine große Wertschätzung für Pierre Schaeffers Musique concrète, die Edlingers zeitgenössische Werke stets begleitet. Abgebrühte harte Trommelschläge auf der Surdo begleiten den Zuhörer durch den Wahnsinn einer vorsätzlichen Brandlegung und treiben das Geschehen nun unaufhaltsam voran. Das zweite Kapitel „Verbrechen“ ist in Gange, worauf unmittelbar die Tat als nächster Abschnitt folgt. Das musikalische Thema der einzelnen Töne bietet sich als Begleiter durch das finstere Treiben an und hängt sich nun nachhallend verzerrt ins Gehör. Die PerformerInnen klemmen sich nun hinters Mikro und intonieren: Die Tat, Täter, Opfer, Hass und Liebe, gute Menschen, schlechte Menschen. Es folgt eine Reihe an Überlagerungen, die sich aneinander zu reiben scheinen und eine Zuspitzung der Handlung vorbereiten. Und diese kommt mit leisen perkussiven Schlägen, die sich in ihrer Wirkung als bedrohlicher Soundteppich zunehmend entfalten. Das Kapitel „Leiden“ wird aufgeschlagen und nicht so schnell wieder verlassen. Es wird zum persönlichen Leitthema Edlingers, das mit raschen stakkato artigen Schlägen auf einen alten Topf eingeleitet wird. Hier kommen nun das große Können und die völlige Hingabe Edlingers zum Perkussiven voll und ganz zum Tragen. Laute, raue wie kreischende und sich wiederholende Rezitative lassen den inneren Kampf des Täters schmerzhaft erkennen. Edlinger selbst scheint sich in seiner Komposition aufzulösen und zum Opfer seiner eigenen Schöpfung zu werden.
Erleichterung zeigt sich nicht nur beim Zuhörer, wenn schließlich dieses Kapitel geschlossen wird und man sich gleichsam erschöpft in die innere Sammlung begibt. Das Anschlagen der Klangschalen und kleinen Klangkörpern lädt zur kurzfristigen Erholung ein, die man angesichts des ekstatischen, nahezu hemmungslosen Leidenssound, fast dankbar annimmt. Da ist es schon egal, dass sie wegen ihrer meditativen Aura ein wenig plakativ ins Konzept hinein wirken. Edlinger lässt einem aber nicht viel Zeit für die Erholung. Fast drohend in ihrer Intonierung kommen wieder Rezitative wie „Recht“ und „Unrecht“ daher, die durch starke Artikulation das neue Kapitel des Richters aufschlagen, darüber Tanja Pichlers außergewöhnlich fast orientalisch anmutender Stimmenklang. Damit wird auf Justitia angespielt, Göttin für Gerechtigkeit der römischen Antike, deren Attribut der Augenbinde, die Durchsetzung des Rechts ohne Ansehen der Person, versinnbildlicht.
Nach einem kurzen Übergang mit dem musikalischen Thema werden nun starke Rhythmen in die Komposition aufgenommen, die auch den Zuhörer in einen fast tranceartigen Zustand versetzen. Mit Edlingers uneingeschränkter Profession als Rhythmiker verlässt man das finstere Tal aus Täterschaft, Schuld und Opfer und begibt sich aus dem Dunkel. Auch hier muten die Klänge leicht orientalisch an, die auch Tanja Pichlers Gesang stark prägen. Vier prägnante Schläge auf die Becken beenden diesen Abschnitt und es wird zur nochmaligen inneren Einkehr mittels Anschlagen kleiner Klangkörper aufgefordert, die mit dem meditativen Gesang in völliger Symbiose scheinen. Nur kurz währt dieses Verharren in den zarten Sounds, da beginnen rhythmische Schläge auf der Surdo als inhaltliche Rettung aufzumarschieren. Am Ende kehrt Edlinger zurück zum Beginn und setzt das musikalische Thema nochmals nachhaltig ein. Das menschliche Schicksalsrad beginnt sich mit „Hass und Liebe“ neu zu drehen.​

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    AutorIN

    Helga Steinacher
    Kulturvermittlerin

    Archiv

    Juni 2019

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